Restaurant „Im Schiffchen“, Düsseldorf | Wurzeln in Frankreich
Ich kam im März 1970 nach Deutschland. Ich hatte viel von Deutschland gehört, denn mein Großvater war 1920 bei den Besatzungstruppen in Deutschland. Mein Vater dann 1940 im zweiten Weltkrieg. Bei Familienfeiern wurde viel über die Deutschen geredet, man kann sagen, ohne die beiden Kriege wäre ich nie nach Düsseldorf gekommen. Ich war neugierig auf die Deutschen. Was waren das für Menschen?
Meine Ausbildung habe ich in Frankreich absolviert. Damals war eine ganz andere Zeit, die Lehre machte man mit 14, mit 18 hatte man ausgelernt. Ich war dann zuerst als Saisonarbeiter in Italien und in Spanien, wo ich im Madrider „Restaurant Horcher“ ersten Kontakt mit der Deutsch Küche hatte. Als ein Kollege nach Düsseldorf ging, um dort im neuen Hilton-Hotel anzufangen, fand ich die Idee so gut, dass ich, damals 22 Jahre alt, auch mit dorthin ging. Ich wollte Deutschland kennenlernen. Nur zwei Koffer hatte ich dabei, nach ein bis zwei Jahren wollte ich eigentlich zurück nach Frankreich.
Aber dann bot man mir den Job als zweiter Küchenchef im Sterne-Restaurant „Waliser Stuben“ an. Der Küchenchef dort ging nach Bayern, also übernahm ich den Job. Ich gebe zu, es hat mich schon Überwindung gekostet. Mir fehlte noch die Sprache, fühlte mich noch fremd und musste mich dort erstmal durchsetzen. Ich sah, wenn man über mich sprach, aber ich konnte die Leute nicht verstehen. Man wurde als Gastarbeiter auch ganz anders behandelt als heute. Selbst als Europäer. Ich erinnere mich: als wir in einem Restaurant Kaffee bestellten, hieß es: „Zwei Kaffee für die Ausländer da.“
Wir boten französische Küche an, aber damals war das gar nicht so einfach, denn es gab hier nichts zu kaufen. Wir importierten alles selbst aus Frankreich, französischen Käse, Austern, französischen Seefisch, hier gab es nur Nordseefisch. Nicht einmal ordentlichen Kaffee gab es, nur Filterkaffee. In ganz Düsseldorf gab es nur fünf italienische Restaurants, die überhaupt richtigen Espresso machten.
1975 geschah plötzlich eine kleine Revolution. Wir bekamen in den Waliser Stuben als erstes deutsches Restaurant neben fünf weiteren den zweiten Michelin-Stern!
Mit der Aussicht auf ein höheres Gehalt und eine Karriere hier, blieb ich dann doch. Eine weitere Station war ab 1976 das „Frickhofer Restaurant“. Das gibt es heute nicht mehr, aber damals war es mein Ziel, dort einen Stern zu erkochen, was mir auch gelang. Als die „Walliser Stuben“ einen Stern verloren, bat man mich zurückzukehren. Ich tat es und schon 1977 erhielt ich den verlorenen Michelin-Stern wieder zurück!
1977 bot man mir dann das „Schiffchen“ an. Das war damals ein ganz normales Restaurant und viel kleiner als heute. Ich wagte also den Schritt in die Selbständigkeit. Oben hatten wir das Büro und ich wohnte auch dort.
Das Restaurant war erfolgreich, 1979 erkochte ich den ersten Stern, 1983 erlangte ich den zweiten. Mein Ziel war der dritte Stern, aber der Michelin-Inspekteur verlangte dafür eine Modernisierung des Gebäudes. Also setzten wir die Anforderungen um und eröffneten das Restaurant in der oberen Etage.
Aber was sollten wir nun unten machen? Die Idee war, dort ein Fischrestaurant zu eröffnen. Ich studierte die deutsche Küche, und so variierten wir fortan im „Aalschokker“ gehobene deutsche Küche und wurden mit Erfolg belohnt. Den dritten Stern für das „Schiffchen“ bekam ich dann 1987. Also der französische Staat mich zum ”Officier du Merite Agricole“ ernannte und der Aalschokker seinen ersten Stern erhielt, waren wir europaweit das einzige Haus, das täglich vier Sterne kochte!
Das 2002 entstandene „Jean-Claudes´s Bistro“ im Parterre wandelten wir 2012 in das heute bestehende „Enzo im Schiffchen“ um. Beide Konzepte wurden jeweils mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.
Haben Sie mitgezählt? Insgesamt habe ich in Deutschland neun Sterne erkocht. Das hat sonst keiner geschafft. In meinem Restaurant bilde ich heute junge Menschen aus der ganzen Welt aus. Ich halte es für meine Pflicht, mein Wissen an die jungen Leute weiter zu geben, damit der Beruf nicht ausstirbt. Dabei ist nicht wichtig, woher sie kommen, sondern was sie bereit sind zu leisten!